KAMPF GEGEN DIE KILLERKEIME

ES GEHT AUCH OHNE ANTIBIOTIKA

nano - 3sat, 2017 - 6:10 Min.
Ein Film von Volker Wasmuth

Viele Jahrzehnte waren Antibiotika die Wunderwaffe der Medizin. Einstmals tödlich verlaufende Krankheiten wie Lungenentzündung, Wundbrand, Pocken und Syphilis haben dank des Mittels ihren Schrecken verloren, die Keime wurden zurückgedrängt. Heute werden weltweit Unmengen von Antibiotika verschrieben – allein in den USA jährlich 80.000 mal, das entspricht 12.000 Tonnen Antibiotika.

Doch die einstige Wunderwaffe ist stumpf geworden: Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. 25.000 Menschen sterben pro Jahr durch eine Infektion mit multi-resistenten Keimen, schätzt die EU. Tendenz steigend. Mehr noch: Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation sterben im Jahr 2050 mehr Menschen an einer Infektion als an einer Tumorerkrankung.

Der Grund für das Erstarken der tödlichen Keime: Antibiotika werden häufig falsch, zu lange und unsinnigerweise als Breitband-Wirkstoff verschrieben. Das aber fördert die Lernfähigkeit der Bakterien: Sie bilden immer öfter und immer effektiver Resistenzen. Dazu kommt der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Fleischmast; die Medikamente sind mittlerweile ein fester Teil der Fütterung. Neun von zehn Puten erhalten Antibiotika, hat das Verbraucherschutzamt NRW 2015 festgestellt. Das aber fördert die Resistenzbildung; die unempfindlichen Bakterien können auf den Menschen überspringen.

Nun arbeiten Forscher weltweit an einem neuen Denkansatz: der „Antivirulenz-Therapie“. Die Bakterien werden dabei nicht abgetötet oder im Wachstum gehemmt. Vielmehr sollen die Eigenschaften eines Erregers, die eine Besiedlung des Wirtes ermöglichen, im Körper ausschaltet werden. Beispielweise werden die Haftmoleküle der Bakterien blockiert. Dann sind sie nicht mehr in der Lage, den Organismus zu besiedeln und Infektionen auszulösen.

Die Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung beispielsweise gehen diesen Weg. Prof. Eva Medina leitet die Abteilung „Infektionsimmunologie“. Derzeit arbeiten zwei Abteilungen mit insgesamt 20 Wissenschaftlern an der Antivirulenz-Therapie.

Dr. Giuseppe Magistro ist beim Kampf gegen die gefährlichen, multi-resistenten Keime noch einen Schritt weiter. Magistro behandelt an der Uni-Klinik München mit Hilfe der Antivirulenz-Therapie eine Reihe von Patienten, die unter chronischen Harnwegs-Entzündungen leiden. Es gibt erste Erfolge: Statt zehn Bakterieninfektionen jährlich und wirkungs-oser Antibiotika-Behandlungen hat seine Patientin nur noch zwei Entzündungen pro Jahr – ein wichtiger Etappensieg.